Freitag, 26. Juli 2013


Die IT-Gesellschaft schafft die Demokratie ab


1994 erhielt ich vom US-Unternehmen Compuserve meine erste E-Mail-Adresse. Leider kannte ich kaum jemanden, dem ich eine E-Mail schicken konnte. In den Jahren bis etwa 2000 entwickelte sich das Internet dank des genialen Netscape Navigator zu einem anarchischen Zusammenschluß junger Menschen, die ohne jegliche gesetzliche Regelungen nach Lust und Laune Bilder kopierten, Musik downloadeten und trotz Schneckentempo auf der Datenautobahn stundenlang Videofilme tauschten.

Unrechtsbewusstsein gab es nicht. Amazon und Youtube auch nicht. Facebook natürlich ebenfalls nicht. Erste Visionen eines "Web 2.0" tauchten auf. Darin war von mysteriösen "sozialen Netzwerken" die Rede, die das Internet im Zuge der Kommerzialisierung revolutionieren sollten. Das Telekommunikationsgesetz existierte zwar bereits 1996, wurde aber bis 2004 mehrfach geändert. Anfangs wurde es von kaum einem Internet-Nutzer überhaupt zur Kenntnis genommen. Es waren wunderbare Zeiten.

19 Jahre später stellt sich das Internet als vom totalen Kommerz durchdrungener, durch zahllose Gesetze eingeschränkter und durch internationale Konzerne und Geheimdienste total durchleuchteter Lebensraum für etwa 90% der Mitglieder der modernen Gesellschaft dar. Kein Schritt bleibt unbeobachtet. Google, Amazon, Vodafone, VISA und Facebook beherrschen das Leben, den Konsum und die Freizeit der Menschen stärker als es jemals andere Unternehmen auch nur ansatzweise konnten.

Die Macht der "Multinationals", also der internationalen Konzerne, hat eine Dimension erreicht, die bis vor etwa zehn Jahren unvorstellbar war. Fast alle Internetnutzer werden verfolgt, belauscht und ihre persönlichen Daten (Aufenthaltsorte, angeklickte Webseiten, Online-Einkäufe etc.) ständig abgespeichert. Sämtliche Informationen teilen die Konzerne selbstverständlich mit den staatlichen Überwachern der großen Geheimdienste. Das war bis vor kurzem nur eine Vermutung. Die Gewissheit haben wir durch
Edward Snowden gewonnen. Waren der Staatssicherheit der DDR nur "Verdächtige" ausgeliefert, betrifft der Überwachungswahn mittlerweile alles und jeden. Der "gläserne Bürger" hat sich selbst erschaffen weil er sich den Multinationals auslieferte. Orwells "1984" ist mit 29 Jahren Verspätung zur Lebensrealität geworden.



Die demokratischen Grundrechte der Bundesrepublik Deutschland werden mit Füßen getreten. Die Triebfedern "Terrorbekämpfung" und "Wachstum" beherrschen das Internet, dessen Nutzer und deren Rechte stärker und stärker, die Speicher der Überwacher werden immer größer und größer und das Recht auf Selbstbestimmung der Menschen kleiner und kleiner. Bis es dann eines Tages gar nicht mehr vorhanden sein wird. Weltweite totale Kontrolle durch Kommerz und Staat ... eine Horrorvision, die lokale Terroranschläge nicht nur erst herausfordert sondern leider auch als kleineres Übel wirken lässt. Und das schlimmste daran: Jeder arbeitet mit. Jeder Nutzer, jedes Unternehmen, jeder Staat. Ich schreibe hier einen Google-Blog. 19 Jahre nach 1994.

Freiheit 2013 heißt, auf Handy, Facebook, Google und Kreditkarten zu verzichten. Schöne, neue Welt :-(