Donnerstag, 3. Februar 2011

Revolution in Ägypten 2011


Tahrir-Platz in Kairo


Seit Tagen läuft bei mir zuhause über Kabel-TV "Al Jazeera". Der arabische News-Sender aus dem künftigen Fußball-WM-Land Katar berichtet ununterbrochen über die Kairoer Demonstrationen gegen den ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak und sein seit über 30 Jahre herrschendes Regime. Dabei werden die Al Jazeera-Reporter durch die staatliche Geheimpolizei Mubaraks in ihrer Arbeit behindert, wo es nur geht. Das Büro in Kairo wurde am 30. Januar zwangsweise geschlossen, einen Tag später wurden Mitarbeiter verhaftet und alle Kameras beschlagnahmt. So demonstriert das Regime nur seine patriarchalische Macht und seinen Anspruch, die Meinungsfreiheit im Land zu unterdrücken. Aber das gelingt ihm nicht!

Die mutigen Journalisten senden einfach weiter, per Twitter, Facebook, Fotouploads, Live-Stream über Handy und natürlich per Telefon. Die Bilder, die ins Wohnzimmer flimmern, sind beeindruckend! Verpixelte, unscharfe Bilder, aufgenommen von iPhones oder anderen Handies, zeigen sie aber deutlich, mit welcher beispiellosen Macht sich das Volk des Pharaonenstaates gegen seine korrupten Herrscher auflehnt. Erinnerungen werden wach an die Leipziger Montagsdemonstrationen des Jahres 1989, eine Gänsehaut nach der anderen läuft über meinen Rücken. Diesen gesellschaftlichen Umwälzungen durch das Volk live beizuwohnen, ist eine fantastische Möglichkeit, die uns die modernen Medien eröffnen. Live Revolution! Unglaublich.

Aber was wird aus dem Land am Nil? Bei meinen zahlreichen Reisen durch die Städte, Dörfer und Wüsten Ägyptens, habe ich vor allem einen Eindruck gewonnen: Die Menschen wollen Gerechtigkeit für alle! Mubarak gilt ihnen nicht einmal als unsäglicher Diktator und Despot sondern viel mehr als ein am Amt klebender Präsident, der nur für sein eigenes Bild in den Geschichtsbüchern, aber nicht für die Freiheit des Volkes wirkt. Forderungen nach freien Wahlen, zugelassener Opposition und freier Meinungsäußerung sind der Antrieb für die Menschen, sich am heutigen Dienstag (vielleicht wird der 1. Februar 2011 legendär) zu Millionen zu versammeln, den Tahrir-Platz im Zentrum Kairos zu ihrem Forum zu machen und deren Bestrebungen in dem Satz kulminieren "Mubarak muss weg!".

Viele Beobachter im Westen fürchten das Wiedererstarken der "Moslembruderschaft", einer unter Mubarak radikal bekämpften islamistischen Organisation, die zwar bereits in den 90er Jahren dem bewaffneten Kampf abgeschworen hat aber durch die Schwächung der (noch) aktuellen Regierung eine deutliche Aufwertung erfahren dürfte. Die Ägypter sind jedoch sehr stark vom Tourismus abhängig, Millionen von ihnen arbeiten in Hotels, Restaurants und im Umfeld der sagenhaften Sehenswürdigkeiten und Museen. Ein islamischer
Gottesstaat würde ihnen allen sehr wahrscheinlich die Existenzgrundlage nehmen. Aber genau das ist es, wofür die Menschen auch auf die Straße gehen, sich selbst zu verwirklichen, zu sagen was sie wollen und zu wählen wen sie wollen. Es darf also stark bezweifelt werden, ob ein freies Ägypten sich tatsächlich in die Hände extremistischer Religionsfanatiker begeben würde.



Ägypter in Kairo

Viel wahrscheinlicher ist hingegen die Bildung einer Übergangsregierung unter dem oppositionellen Friedensnobelpreisträger Mohammed el-Baradei. El-Baradei ist ein international hochgeachteter Mann mit besten Kontakten zu den Handelspartnern Ägyptens. Im Volk dürfte er auch vor allem deswegen Unterstützung genießen weil der US-Geheimdienst ihn jahrelang belauschen ließ und seine Kritik am US-Einmarsch im Irak sogar vor der UNO vorgetragen wurde. Die Unterstützung anderer arabischer Nationen dürfte ihm also ebenfalls gewiss sein. El-Baradei ist zuzutrauen, dass er im Verbund mit der internationalen Gemeinschaft für eine Demokratisierung Ägyptens einstehen wird und gleichzeitig radikale Forderungen nach Errichtung eines Gottesstaates ablehnen wird.

Es wird also mal wieder Geschichte geschrieben, diesmal in Ägypten. Vorher bereits in Tunesien. Womöglich bald in Libyen? Vielleicht wird die Nennung der Jahreszahl 2011 einmal einen ähnlichen Klang bekommen wie die des Jahres 1989, das Jahr der politischen Umwälzungen in Europa und in der Sowjetunion.

Cacophonia Blog geht online

Am 3. Februar 2011 geht der Cacophonia Blog online. Folgende Grundsätze sollen in Zukunft beibehalten werden:

1. interessant ist alles was wir interessant finden
2. das kann aus den Themengebieten Politik, Unterhaltung, Sport und mehr sein
3. wir sind vollkommen unabhängig und schreiben nur, was wir denken